Die Bergkrankheit: „Strahlende Gefahr für den Menschen“

Quelle

„… Aus den Routineuntersuchungen der Bergleute aus den Urangruben ging bereits in den 1930er Jahren hervor, dass die Arbeit im Abbau und der Erstverarbeitung gesundheitsschädlich war, dass die Bergmänner von St. Joachimsthal [Jáchymov] ein Durchschnittsalter von 33 Jahren erreichten, dass sie während ihres Lebens an diversen Organ- und Funktionsstörungen oder Krankheiten litten und ihr Tod oft von einer Kombination aus Lungenkrebs und Staublunge (Silikose) verursacht wurde. Deshalb wurde die Gesamtheit er erwähnten spezifischen Erkrankungen dieser Bergleute [in der Tschechoslowakei] Joachimsthaler Bergkrankheit genannt, in Deutschland Schneeberger Krankheit.

Der Erforschung dieser Krankheit widmete sich eine Stiftung, die [der tschechoslowakische Staatspräsident] T.G. Masaryk mit einer persönlichen Stiftung i.H.v. 300 000 Tschechoslowakischen Kronen begründete. Dort untersuchten für die Tschechoslowakei das Problem der Joachimsthaler Bergkrankheit vor allem die Professoren der Prager Karlsuniversität František Běhounek, Heřman Šikl, Pelnář sowie der Chefarzt des Joachimsthaler Kurbades Dr. Markl. In Deutschland forschte am Max-Planck-Institut, damals noch Kaiser-Wilhelm-Institut, an der gleichen Problematik eine Wissenschaftlergruppe unter der Leitung von Prof. Rajewsky.

Die schon vor dem Zweiten Weltkrieg erfolgten Forschungen ergaben als eindeutige Ursache für die Joachimsthaler Bergkrankheit die hohe Strahlenbelastung der Bergleute durch die natürliche Radioaktivität des Urans und seiner Zerfallsprodukte (Radon, Uran-Aerosole) und durch die von Natur aus radioaktiven Materialien vor Ort. Erst im Jahr 1939 führte Dr. A. Brandt vom Institut für Arbeitshygiene an der Berliner Universität die erste umfassende Untersuchung des Gesundheitszustandes der Joachimsthaler Bergleute durch. Er brachte dabei seine Erfahrungen von der Untersuchung deutscher Bergleute aus den Urangruben im Umfeld von Aue und Schneeberg ein. Bei den Joachimsthaler Bergmännern beschrieb Brandt eine Veränderung in der Blutbildung schon nach zweijähriger Strahlenaussetzung. Außerdem stellte er fest, dass die Mehrheit von ihnen an einer Staublunge litt und dass erste bösartige Tumore in den Atemwegen meist erst nach mindestens zehn Jahren andauernder Strahlenbelastung auftraten (…).“

M8: RNDr. Hubert Procházka, CSc., [Vorstandsmitglied der Konföderation politischer Häftlinge der Tschechischen Republik], Rozbor pracovních rizik při otrocké práci vězňů v Jáchymovských dolech v letech 1949-1960 [Analyse der Arbeitsrisiken bei der Zwangsarbeit der Häftlinge in den Gruben von Jáchymov in den Jahren 1949-1960], 19.01.2006, Quelle: [Internetseiten der Konföderation politischer Häftlinge der Tschechischen Republik] http://www.kpv-cr.cz/uranove-doly-zdnesniho-pohledu/ (25.09.2015).

Sachanalyse

Radioaktivität hat ihren Ursprung in den von Natur aus strahlenden Elementen Uran, Radium und Thorium. Mediziner fürchten in diesem Zusammenhang das radioaktive Gas Radon (Rn), das durch die Umwandlung von Radium entsteht. Radon ist farb- und geruchslos und ist schwerer als Luft. Bei seiner Umwandlung gibt es radioaktive Strahlung in Form von Alpha-Teilchen ab. Alpha-Strahlung hat zwar eine geringe Durchlässigkeit, ihre Hauptgefahr liegt aber darin, dass Menschen sie wie Radon in der Luft einatmen. Bei langfristiger Einwirkung schadet das Gas dem menschlichen Organismus. Eine sehr intensive Alpha-Strahlen-Aussetzung kann zum sofortigen Tod führen. Eine weitere Gefahr stellt Gama-Strahlung dar, die mit der Röntgen-Strahlung vergleichbar ist. Der Strahlung ausgesetzten Personen droht eine erhöhte Anfälligkeit für Leukämie und die Bildung bösartiger Tumore, die erst nach Jahrzehnten auftreten kann. Ein stark gesundheitsgefährdender Faktor für Menschen in Betrieben, die Uran fördern oder verarbeiten, sind zudem Aerosole – kleinste Uranstaubteilchen mit einer Größe von unter 10 Mikrometern in der Luft.

Bergleute hatten kein einfaches Leben. Bergunglücke konnten für sie tödlich enden oder sie zu Invaliden machen. Seit dem Mittelalter wusste man, dass ihre Lebenserwartung deutlich kürzer ausfällt als die der Menschen in ihrem Umfeld und dass sie an einer typischen Bergkrankheit leiden. Jedoch erst seit dem 20. Jahrhundert wandten sich die Mediziner den Arbeitsrisiken beim Untertagebau zu. Der folgende Text von RNDr. [Doktor der Naturwissenschaften, Anm. der Übersetzerin] Hubert Procházka, Vorstandsmitglied der Konföderation politischer Häftlinge der Tschechischen Republik, beschreibt auf den Internetseiten dieser Vereinigung die Gesundheitsgefährdung der zwangsarbeitenden Häftlinge in den Urangruben von Jáchymov (St. Joachimsthal) in den Jahren 1949-1960. Das tschechoslowakische kommunistische Regime, das seine politischen Gegner verfolgte und viele von ihnen zwang, Uran abzubauen und zu verarbeiten, nahm die gesundheitlichen Risiken für die politischen Häftlinge in Kauf. Zahlreiche Häftlinge starben unter den unmenschlichen Bedingungen, andere trugen lebenslange gesundheitliche Folgen davon. Auch deswegen nannten sie die Zwangsarbeit oft „die Hölle von Jáchymov“. Nach dem Ende des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei im Jahr 1990 wurde die Konföderation politischer Häftlinge der Tschechischen Republik gegründet. Sie vertritt die Anliegen der ehemaligen politischen Häftlinge, auch derer die im Uranbergbau eingesetzt waren, in der Öffentlichkeit.

Arbeitsaufträge

  1. Fasse zusammen, welche Erkrankungen die Arbeit im Uranbergbau in vielen Fällen verursachte.
  2. Erstelle eine Tabelle, in die du für die Tschechoslowakische Republik und das Deutsche Reich einträgst, wie die Bergkrankheit in den beiden Staaten genannt wurde, welche Institutionen sich der Erforschung der Krankheit jeweils widmeten und in welchen Zeitraum die Forschungen stattfanden.
  3. In den Jahren 1949-1960 inhaftierte das tschechoslowakische kommunistische Regime viele seiner politischen Gegner und zwang sie zur Arbeit in den Urangruben von Jáchymov. Auf Arbeitssicherheit und Gesundheit der Häftlinge legte das Regime nur wenig Wert. Finde Argumente, warum das das kommunistische Regime seinen politischen Gegnen die in der Quelle genannten Arbeitsrisiken im Uranbergbau zumutete.
  4. Auf der sächsischen Seite des Erzgebirges waren in den Uranbergwerken der DDR im selben Zeitraum überwiegend zivile Bergleute tätig. Überdurchschittliche Löhne sowie eine gute Versorgung mit Lebens- und Genussmitteln machten den Uranbergbau dort attraktiv. Diskutiere, ob diese Vorteile die in der Quelle geschilderten Gesundheitsrisiken ausgleichen konnten.
  5. Erläutere, zu welchem Zweck der Text, der den Internetseiten der Konföderation politischer Häftlinge der Tschechischen Republik entnommen ist, verfasst sein könnte. Bedenke dabei den Autoren des Textes.