Wie kommt man nur an Uranproben?

Das Ehepaar Curie bittet um Joachimsthaler Pechblende zu Forschungszwecken

Quelle

[…] Laut des sub 1./. beiligenden Briefes hat Herr P. Curie, Professor in Paris, eine wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht, in welcher er gezeigt hat, dass das Uranpecherz ein neues noch unbekanntes Metall enthält. Behufs Untersuchung dieses neuen Metalles auf seine Eigenschaften müsste P. Curie eine grosse Menge von Uranpecherz verwenden, was ihm jedoch grosse Kosten verursachen würde und da erinnerte er sich, dass in Joachimsthal dieses Erz verarbeitet wird und glaubt, dass sich in den Fabrikationsrückständen das neue Metall finden müsste, weswegen er ersucht hat ihm solche Fabrikationsrückstände zu verkaufen.
Dieser Brief wurde dem k.k. Hüttenverwalter Kroupa zur Äuβerung übergeben, worauf derselbe bemerkte, dass die Laugenrückstände für das Joachimsthaler Zweck gegenwärtig werthlos sind und in früheren Jahren nur zum Ausstürzen von Gräben verwendet und auf die Halde geworfen wurden. […]
Ob es nun dem genannten Professor mit diesen Untersuchungen wirklich recht ist, oder ob er andere Zwecke damit verfolgt, ist wohl nicht bekannt, würde er aber eine Verwerthung unserer Uranrrückstände ausfindig machen, so wäre diess wohl für die Uranfabrik von grossem Werthe.

M6: Brief des Bergrates Babanek von der K.k. Berg- und Hüttenverwaltung St. Joachimsthal (Jáchymov), die auch für die dortige Uranfarbenfabrik zuständig war, an das übergeordnete K.k. Ministerium für Ackerbau in Wien, 29. 10. 1898. Quelle: Národní archiv Praha (Nationalarchiv Prag), Fond Ministerstvo zemědělství – Rakousko, MZ/R 2/b5 23948/2289/98, zitiert nach Seidlerová, Irena a Jan Seidler. Jáchymover Uranerz und Radioaktivitätsforschung um die Wende des 19./20. Jahrhunderts. Chemnitz, 2010. Online verfügbar: http://www.qucosa.de/fileadmin/data/qucosa/documents/6225/Holze_Seidler_Uranerz_.pdf (05.04.2016), S. 24.

Sachanalyse

Nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen experimentierte Henri Becquerel im Jahre 1896 mit Phosphoreszenz und Lumineszenz und entdeckte dabei eine zuvor unbekannte Erscheinung beim Uransalz, die Marie Skłodowska Curie später als Radioaktivität bezeichnete. Sie und ihr Mann, der französische Physiker Pierre Curie, trugen maßgeblich zur Erforschung der wesentlichen Eigenschaften der Radioaktivität bei. Als das am besten geeignete Material zur Erzeugung radioaktiver Präparate erwiesen sich die Rückstände aus der St. Joachimsthaler Uranfarbenproduktion. Die Fabrik der staatlichen Gruben und Hütten in St. Joachimsthal gewann die Uranfarben aus der vor Ort geförderten Pechblende. Im Kampf um die Rückstände der Uranfarbenherstellung spiegelten sich die gegenläufigen Interessen der Physiker, Chemiefabriken, St. Joachimsthaler Bergbaubetriebe, des österreichischen Ministeriums für Ackerbau und der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften wider.

In Paris erforschten die Eheleute Curie im Sommer 1898 die Eigenschaften des neu entdeckten Element Uran. Um eine geringe Menge dieses Elementes zu gewinnen, benötigten sie eine große Menge Pechblende. Der einzige Ort auf der Welt, an dem damals regelmäßig Pechblende in großen Mengen verarbeitet wurde, war die Patentfabrik für Uranfarben im böhmischen St. Joachimsthal. Dorthin schrieben sie drei auf Deutsch verfasste Briefe, in denen sie um den Kauf von mindestens 100 kg dieses Materials ersuchten. Die St. Joachimsthaler Gruben waren damals in Besitz des österreichischen Staates und wurden von einem Amt mit dem komplizierten Namen „K.k. Berg- und Hüttenverwaltung St. Joachimsthal“ geleitet. Dieses Amt unterstand dem Ministerium für Ackerbau in Wien. Und da sich die Joachimsthaler Hüttenverwaltung keinen Rat wusste, was sie nach Paris antworten sollte, bat ihr Verwalter Gustav Kroupa um Stellungnahme des übergeordneten Ackerbauministeriums bzw. der so genannten „Verschleiss-Direktion“, einer Unterabteilung die für Verkauf und Vertrieb zuständig war. Diese Abteilung sollte gegenenfalls einen Preis für das gewünschte Material festsetzen.

 Arbeitsaufträge

  1. Unterstreiche im Brief Passagen oder Ausdrücke, die Du nicht verstehst und versuche zusammen mit einer Mitschülerin / einem Mitschüler die Bedeutung zu klären.
  2. Stelle Vermutungen an, warum der Autor des Briefes Bergrates Babanek von der K.k. Berg- und Hüttenverwaltung St. Joachimsthal (Jáchymov) an das übergeordnete K.k. Ministerium für Ackerbau in Wien schreibt und darin erklärt, was der Pariser Professor Curie aus St. Joachimsthal will.
  3. Erkläre anhand Babaneks Brief, welche Bedeutung Reste der Uranfarbenproduktion in St. Joachimsthal (Jáchymov) für Professor Curie haben (könnten) und welche Bedeutung sie bisher für die Uranfarbenfabrik hatten.
  4. Finde Argumente, warum es für die Uranfarbenfabrik und die K.k. Berg- und Hüttenverwaltung St. Joachimsthal (Jáchymov) lohnend sein könnte, Reste der Uranfarbenproduktion an Wissenschaftler zu verkaufen. Nutze zur Beantwortung dieser Frage auch die oben stehende Sachanalyse zu Babaneks Brief sowie die Sachanalyse zum Thema Uranfarben.
  5. Stelle anhand des Briefes und der Sachanalyse zu Babaneks Brief in eigenen Worten knapp dar, wie die Forschungen des Ehepaars Curie zur Radioaktivität mit St. Joachimsthal (Jáchymov) zusammenhängen.