Die „Mauthausener Stiege“ – Stufen des Leidens

Quellen

Kresba od neznámého vězně. Zdoj: Historická naučná stezka, S. 10.f.M1: „ Treppe in Svornost“, Zeichnung des ehemaligen politischen Häftlings Jozef Kycka (1928-2008), unbekanntes Entstehungsjahr. Quelle: Archiv Hornického spolku Barbora, Jáchymov (Archiv des Bergmännischen Vereins Barbara, St. Joachimsthal).

 

Die sogenannte Mauthausener Stiege zwischen Lager und Grube Svornost (Eintracht) in Jáchymov (St. Joachimsthal) vor ihrer Rekonstruktion, Frühling 2015, Foto: Tomáš BouškaM2: Die sogenannte Mauthausener Stiege zwischen Lager und Grube Svornost (Eintracht) in Jáchymov (St. Joachimsthal) vor ihrer Rekonstruktion, Frühling 2015, Foto: Tomáš Bouška.

Mauthausenské schody po rekonstrukci na podzim 2015M3: Die sogenannte Mauthausener Stiege zwischen Lager und Grube Svornost (Eintracht) in Jáchymov (St. Joachimsthal) nach ihrer Rekonstruktion, Sommer 2015, Foto: Tomáš Bouška.

Sachanalyse

Die Bezeichnungen „Mauthausener Stiege“ oder „Mauthausener Treppe“ verweisen auf eine Treppe im Steinbruch des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Mauthausen, an die sich manche Häftlinge in Jáchymov (St. Joachimsthal) durch eine steile Treppe von der Urangrube Svornost (bis 1945 auch Einigkeits- oder Eintracht-Schacht) zum oberhalb gelegenen Lager Svornost erinnert fühlten. Es ist möglich, dass einige Häftlinge vor ihrer Zwangsarbeit für das tschechoslowakische Regime und die sowjetische Atomwaffenindustrie bereits KZ-Häftling der deutschen Nationalsozialisten in Mauthausen gewesen waren.

Im Lager des Einigkeits-Schachtes waren von 1939 bis 1945 russische Kriegsgefangene des Deutschen Reiches inhaftiert, die Uranerz für die NS-deutsche Atomforschung fördern mussten. Jáchymov war im Herbst 1938 als Teil des sog. Reichsgaus Sudetenland an das Deutsche Reich angegliedert worden. Nach Kriegsende 1945 – Jáchymov war nun wieder tschechoslowakisch  –  füllten zunächst zivile Gefangene und Kriegsgefangene deutscher Nationalität das Lager Svornost, seit 1949 vor allem politische Häftlinge des tschechoslowakischen kommunistischen Regimes. Die „Mauthausener Stiege“ in Jáchymov führte mit 260 Stufen durch einen streng bewachten engen Korridor aus Stacheldraht einen steilen Hang hinauf und verband die mitten in der Stadt gelegene Urangrube Svornost mit dem weiter oberhalb gelegenen Lager. Mehrere Hundert Lagerinsassen mussten tagtäglich die Stiege hinunter steigen, um aus dem Lager zu ihrer Schicht zu kommen, und nach der anstrengenden Arbeit in der Urangrube wieder hinauf. Das Treppensteigen war sehr beschwerlich, besonders bei Regen, Schnee und Eis. Da es oben im Lager Svornost kein Trinkwasser gab, musste auch das mit hinauf geschleppt werden.

Im Jahr 1954 wurde das Lager Svornost aufgelöst. Teile der Stiege riss der tschechoslowakische Staatssicherheitsdienst StB in den 1960er Jahren ein. Der Rest verfiel, bis die Stiege 1993 bei der Anlage des ersten Lehrpfads „Die Hölle von Jáchymov“ wiederhergestellt wurde. Im Frühjahr 2015 wurde die Treppe durch den von ehrenamtlichen Forschern gegründeten Verein Političtí vězni.cz (Politische Häftlinge.cz) rekonstruiert. Stufen und Sicherungsanlagen veranschaulichen nun den Zustand der 1950er Jahre.

Arbeitsaufträge
  1. Stelle Vermutungen an, wer diese Treppe „Mauthausener Stiege“ genannt hat und warum. Erkläre, was das über diese Menschen aussagen kann.
  2. Beschreibe die Zeichnung, die ein ehemaliger Häftling angefertigt hat. Erläutere, was Dir darauf wichtig oder unverständlich erscheint.
  3. Finde Gründe, weshalb der tschechoslowakische Staatssicherheitsdienst Teile der „Mauthausener Stiege“ in den 1960er Jahren zerstören ließ.
  4. Sammele in Partnerarbeit Argumente für und gegen die Rekonstruktion der Treppe.
  5. Was hat Deiner Meinung nach den von ehrenamtlichen Forschern gegründeten Verein Političtí vězni.cz (Politische Häftlinge.cz) dazu bewogen, das ursprüngliche Aussehen der Treppe wiederherzustellen?

Kreuzweg in die Freiheit – Mahnmal für politische Häftlinge

Quellen

DSCN3978IMG_1366M1+M2: Zentrale Skulptur „Tor zur Freiheit“ des Mahnmals „Kreuzweg in die Freiheit“ in  Jáchymov (St. Joachimsthal). Li. Vorderseite, Mai 2006,. Re. Rückseite, April 2016, Fotos: Tomáš Bouška.

IMG_1373M3: Mahnmal „Kreuzweg in die Freiheit“, Steinstehlen mit den Namen von Straf- und Arbeitslagern vor der Kirche St. Joachim in  Jáchymov (St. Joachimsthal), April 2016, Foto: Tomáš Bouška.

Gedenkfeier auf dem Stadtplatz von Jáchymov (St. Joachimsthal), Mai 2012, Foto: Tomáš BoušaM4: Gedenkfeier am Mahnmal „Kreuzweg in die Freiheit“ auf dem Stadtplatz von Jáchymov (St. Joachimsthal), Mai 2012, Foto: Tomáš Bouška.

Sachanalyse

Im oberen Teil des Stadtplatzes von Jáchymov (St. Joachimsthal) entstand im Jahr 1996 das überhaupt erste Mahnmal für die Zeit der kommunistischen Unterdrückung auf dem Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei. Es erinnert an die Arbeitslager der Uranbergwerke, nicht nur in Jáchymov, sondern auch in den Gegenden von Horní Slavkov (Schlaggenwald) und Příbram, und trägt den Titel „Kreuzweg in die Freiheit“. Es entstand im Auftrag der Konföderation der politischen Häftlinge der Tschechischen Republik und wurde vom tschechischen Bildhauer Roman Podrázský angefertigt. Er besteht aus Steinskulpturen mit den Namen der Straf- und Arbeitslager sowie einer zentralen Plastik mit dem Titel „Tor zur Freiheit“. Sie stellt ein zerborstenes Gitter dar, auf das sich ein Mann und auf der Rückseite eine Frau stützen. Frauen waren zwar nicht unter den politischen Häftlingen in den Uranbergwerken. Aber auch sie litten an der Trennung von ihren Partnern oder Familienmitgliedern und hatten  in der damaligen tschechoslowakischen Gesellschaft als Angehörige von politischen Häftlingen mit Diskriminierung zu kämpfen.

Am Mahnmal „Kreuzweg in die Freiheit“ findet jährlich eine Gedenkfeier der heute noch lebenden ehemaligen politischen Häftlinge aus Tschechien und der Slowakei statt. Seit 1990 treffen sie sich jedes Jahr am letzten Samstag im Mai mit Vertretern von Politik und Medien zu einem Gedenkgottesdienst in der benachbarten St. Joachimskirche. Bei der Gedenkfeier am Mahnmal, die „Die Hölle von Jáchymov“ genannt wird, werden Kränze niedergelegt, Militärmusik gespielt und politische Reden nach der Devise „Erinnern wir daran und vergessen wir nicht“ gehalten. Das Schlagwort Jáchymov steht im heutigen Tschechien häufig als Symbol für das Leid, das das kommunistische tschechoslowakische Regime politischen Häftlingen in den 1950er Jahren zugefügt hat.

Dieses Mahnmal ist ein Ort, an dem öffentlich an die politische Verfolgung durch das kommunistische Regime der Tschechoslowakei in der Zeit zwischen 1948 und 1989 erinnert wird. Allerdings finden hier „nur“ die Schicksale der politischen Häftlinge Erwähnung. Der Kriegsgefangenen, der Häftlinge der frühen Nachkriegszeit sowie der kriminellen Häftlinge wird bislang nicht gedacht, obwohl sie in den Lagern und Uranbergwerken selbstverständlich gleichermaßen gelitten haben. An dieser Stelle beginnt und endet der 2015 neu gestaltete Lehrpfad mit dem Titel „Die Hölle von Jáchymov“. Neben den Gedenksteinen, die für die einzelnen Lager stehen, finden wir eine Informationstafel, die in den Lehrpfad einführt, sowie eine Karte mit allen zwölf Lehrpfadstationen.

Arbeitsaufträge

  1. Das Mahnmal trägt den Titel „Kreuzweg in die Freiheit“. Recherchiere, was ein Kreuzweg ist, und stelle Bezüge zum Mahnmal für die politischen Häftlinge in den Uranbergwerken und Lagern der Tschechoslowakei nach 1948 her.
  2. Neben einem Mann auf der Vorderseite der zentralen Skulptur des Mahnmals findet man auf der Rückseite eine Frau, die sich wie der Mann auf ein zerborstenes Gitter stützt. Erkläre, warum hier eine Frau dargestellt ist, obwohl alle Häftlinge in den Gruben und Lagern von Jáchymov, Horní Slavkov und Příbram männlich waren.
  3. Begründe, warum das Mahnmal die Jahresangabe 1948–1989 trägt, obwohl politische Häftlinge nur bis zum Jahr 1961 in Jáchymov, Horní Slavkov und Příbram Uran abbauen mussten.
  4. Stelle Vermutungen an, warum das Mahnmal nur an die Leiden der politischen Häftlinge in den Uranbergwerken und Lagern erinnert. Begründe Deine Vermutungen.
  5. Erläutere, was Deiner Meinung nach die Motivation von heutigen Politikern sein könnte, an der jährlichen Gedenkveranstaltung „Die Hölle von Jáchymov“ teilzunehmen.
  6. Erarbeite einen Vorschlag, wie ein Mahnmal für die Kriegsgefangenen / für die Häftlinge der frühen Nachkriegszeit (z.B. deutschsprachige Retributionshäftlinge) / für die kriminellen Häftlinge von Jáchymov gestaltet sein könnte. Dein Vorschlag kann unter anderem folgende Elemente umfassen: Form, Symbole, Aufschriften, Material, Aufstellungsort. Erläutere Deinen Gestaltungsvorschlag.