Typisch Erzgebirge: Handwerkstraditionen

Quelle

LiedpostkarteM4: Postkarte „Klöppelmädln“ aus der Serie „Leben und Treiben im oberen Erzgebirge“, Kunstverlag Wilhelm Vogel, ca. 1915. Quelle: www.liedpostkarte.de/agl_Klippl-Lied.html (07.03.2016).

Sachanalyse

Der Niedergang des Bergbaus im Erzgebirge führte dazu, dass viele Bergleute in der Holzverarbeitung tätig wurden. Auf der sächsischen und der böhmischen Seite des Gebirges stellten sie Holzspielzeug und Weihnachtsdekorationen her. Die gängigsten Produkte waren verschiedene Holzfiguren, Räuchermännchen, Weihnachtspyramiden und Krippen. Außerdem wurden in der Region zu dieser Zeit weitere Handwerkstechniken vervollkommt: die örtliche Spitzentechnik des Klöppelns, das Posamentieren (Anfertigen von diversen Spitzen, Zierbändern, Borten, Kordeln, Quasten, Volants, Zierknöpfen etc.) sowie die Herstellung von Filzpantoffeln. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde im böhmischen Abertham (tschechisch: Abertamy) eine später weltberühmte Fabrik für Lederhandschuhe gegründet. Die dortige Produktion konnte bis Ende des 20. Jahrhunderts aufrechterhalten werden und hatte selbst die Zwangsaussiedlung der örtlichen deutschsprachigen Bevölkerung, die sich bis 1945/46 der Handschuhproduktion gewidmet hatte, überlebt. Heute erinnert eine Ausstellung an dieses berühmte Handwerk. Aktuell bietet die Landschaft des Erzgebirges viele Möglichkeiten in den Bereichen Sport und Tourismus, darunter zahlreiche Ausflugsziele und Denkmäler, die in Zusammenhang mit dem Bergbau und den traditionellen regionalen Handwerkstechniken stehen.

Arbeitsaufträge

  1. Beschreibe die dargestellten Personen, ihr Umeld und – soweit erkennbar – ihre Tätigkeiten.
  2. Lies den Informationstext zur Quelle und stelle Vemutungen an, welches Produkt die Personen im Vordergrund fertigten und wie es sich zu Geld machen ließ.
  3. Betrachte das Bild, lies die Quellenangabe und versuche zu erklären, wie die Bildquelle entstand und wie sie genutzt wurde und wird. Folgende Stichworte können dir dabei helfen: dargestellte Situation / Technik / Material / Verbreitung / Aufbewahrung / Nutzer.
  4. Stelle begründete Vermutungen an, ob und in welchem Umfang die dargestellte Handarbeitstechnik heute noch im Erzgebirge ausgeübt wird.

Der Ur-Taler

Der Joachimst(h)aler

Quellen

cropped-Joachimsthaler-Muenzpraegung.jpgM3-a: Rückseite eines Joachimstalers aus dem Jahr 1520. Quelle: Wikipedia: the free encyclopedia [online]. San Francisco (CA): Wikimedia Foundation, 2001 . Link: https://cs.wikipedia.org/wiki/J%C3%A1chymovsk%C3%BD_tolar#/media/File:Joachimsthaler_1525.jpg (03.09.2015).

obr. 3 Vorderseite JoachimstalerM3-b und M3-c: Rück- und Vorderseite eines Joachimstalers, ohne Jahresangabe. Quelle: Fotobestand des Museums Jáchymov (St. Joachimsthal). Repro-Foto: Ing. Wieser. Publikation mit freundlicher Genehmigung der Museen Jáchymov und Karlovy Vary (Karlsbad).

Sachanylyse

Der Joachimsthaler ist eine Silbermünze. Durch seine Größe war er deutlich mehr wert als die um das Jahr 1500 verbreiteten Silberpfennige. Zu dieser Zeit begannen verschiedene Fürstentümer, vor allem Tirol, wo gerade viel Silber entdeckt wurde, sogenannte Guldengroschen (gulden von Gold – die neue Silbermünze war so viel wert wie die damals kursierenden Goldgulden – und Groschen von groß) aus Silber zu prägen. Benutzt wurden sie vor allem bei Handelsgeschäften, in denen es um größere Werte ging. Bald prägten auch die Kurfürsten von Sachsen solche Münzen aus erzgebirgischem Silber und schließlich die Adelsfamilie Schlik (auch: Schlick, tschechisch: Šlik), Herren der Grafschaft Schlackenwerth (Ostrov) im böhmischen Teil des Erzgebirges, die reiche Silberfunde bei der neu gegründeten Ortschaft St. Joachimsthal gemacht hatten. Zunächst hatten die Schliks ihr Silber unverarbeitete weiterverkauft, was weniger Gewinn eingebracht hatte. Im Jahre 1520 erlangten sie das Münzrecht und ließen innerhalb weniger Jahre in St. Joachimsthal sehr viele silberne Guldengroschen prägen. Im Jahr 1528 starb einer der Grafen Schlik. Der inzwischen böhmischer König gewordene Ferdinand I entzog der Familie Schlik das Münzrecht und machte aus der gräflichen Münzstätte in St. Joachimsthal eine königliche.

Die Grafen Schlik ließen in den Jahren 1520 bis 1528 über 1 Million silberne St. Joachimsthaler Guldengroschen prägen, was für die damalige Zeit eine ungeheure Zahl war. Als Handelsmünze fanden die Joachimsthaler, später abgekürzt T(h)aler schnell Verbreitung in ganz Europa. Ihr Name wurde auf andere wertgleiche Silbermünzen übertragen. In andere Sprachen nannte man diese tolar (tschechisch), Joachimici (latein), Daler (Skandinavien), Talar (polnisch), Tallero (italienisch), Talirion (griechisch), Jacondale (Frankreich), Jefimok (russisch) und Dollar (englisch). Der Joachimsthaler wurde so zum Paten der später wichtigsten Weltwährung: der Amerikanische Dollar.

Der Durchmesser der knapp 30 g schweren Münze beträgt 3,7 cm. Eine Seite zeigt den heiligen Joachim, den Patron der Stadt (daher nannte man die Münze auch Joachimsthaler) und das Wappen der Grafen Schlik. Die andere Seite des hier abgebildeten Talers zeigt den doppelt geschwänzten Böhmischen Löwen (Wappentier des Königreichs Böhmen, zu dem St. Joachimsthal gehörte) und trägt die Aufschrift  LVDOVICVS + PRIMVS + DEI + GRACIA + REX + BO(h)EM(iae) + 1520 + [Ludwig I. von Gottes Gnaden König von Böhmen]. Bei Joachimsthalern anderer Prägejahre variieren Darstellungen und Aufschiften leicht.

Arbeitsaufträge

  1. Entziffere so viele Wörter auf der Münze (M3-a und M3-b) wie möglich.
  2. Finde heraus, in welcher Sprache ist der Text auf der Münze (M3-a bis M3-c) verfasst ist.
  3. Recherchiere im Netz, welche Person im Text auf der Münze  (M3-a und M3-b) erwähnt wird.
  4. Finde heraus, welches Wappentier auf der Münze (M3-c) dargestellt wird, und stelle Vermutungen an, in welchem Land diese Münze geprägt wurde.
  5. Lies den Informationstext zu dieser Münze und skizziere in drei knappen Stichpunkten, warum sie zur Zeit ihrer Prägung bedeutend war und dies auch heute noch ist.

Prägen für den Landesherren

Bergbautechnik anno 1520

Quelle

Bergaltar_Münzpräger M2-g: Präger bei der Arbeit. Ausschnitt einer Bildtafel vom rückseitigen Altarbild des Bergaltars der Kirche St. Anna in Annaberg, gemalt um 1520 von Hans Hesse. Quelle: Quelle: Wikipedia: the free encyclopedia [online]. San Francisco (CA): Wikimedia Foundation, 2001. Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3a/Annaberger-Bergaltar2.jpg (zuletzt eingesehen am 15.09.2015). Detail bearbeitet von Marcel Mahdal, 2016.

Sachanalyse

Gegrägte Münzen aus Metall gab es bereits über 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung auf dem Gebiet der heutigen Türkei, Griechenlands und Chinas, um 300 v. Chr. ebenso im Römischen Reich. Ein lebendiger und wachsender Handel machte einen größere Menge an unkomplizierten Zahlungsmitteln erforderlich: Münzen, die in Handarbeit geprägt wurden. Im Europa des Mittelalters und der Frühen Neuzeit waren Gold- und Silbermünzen die bedeutendsten Zahlungsmittel. Um 1500 kamen in Europa erste Banknoten auf, die sich bis ins 19. Jahrhundert allerdings kaum durchsetzten konnten. Im 16. Jahrhundert erfand man Maschinen zur Münzherstellung. Am Prinzip der Prägung änderte sich jedoch nichts, auch nicht bei neueren Münzmaschinen, die mit Dampf, Luftdruck oder Elektrizität betrieben wurden.

Für die Prägung von Münzen hatte der Landesherr in seinem Herrschaftsbereich das Monopol. Oft erließ er auch Gesetze gegen Münzfälscher, denen hohe Strafen drohten. Die Münzstätte eines Landesherren, auch Münze genannt, beschaffte das Metall, aus dem die Münzen hergestellt werden sollten. In der Regel wurde es in der Münzstätte zu Münzmetall aufbereitet und in die Form von runden Münzrohlingen, auch Ronden oder Schröttlinge gennant, gebracht. Als weitere Ausrüstung zur Münzprägung benötigte man zwei Prägestempel, einen oberen und einen unteren. Darauf eingraviert waren die Negativbilder der Reliefs, die auf der Münze zu sehen sein sollten. Die eigentliche Prägung verlief folgendermaßen: Ein Münzer legte eine Ronde zwischen den oberen und den unteren Münzstempel und prägte mit einem kuzen kräftigen Hammerschlag ihre Abdrücke auf die Ronde. So entstanden auf Vorder- und Kehrseite der Münze die gewünschten Reliefs. Die Motive bezogen sich meist auf den jeweiligen Landesherren oder auf das Christentum.

Arbeitsaufträge

  1. Beschreibe die Kleidung der beiden Männer und vergleiche sie mit der Kleidung der Bergleute auf den Bildausschnitten M2-a bis M2-f des Bergaltars.
  2. Schildere die Umgebung, in der die beiden Männer arbeiteten, und vergleiche sie mit dem Arbeitsumfeld der Bergleute.
  3. Beschreibe die Werkzeuge, die die beiden Männer benutzten. Stelle Vermutungen an, wie ihr Arbeitsablauf gewesen sein könnte und was das Endprodukt ihrer Arbeit war.
  4. Stelle anhand deiner Ergebnisse der Arbeitsaufträge 1 bis 3 Vemutungen an, wie die beiden Arbeiter entlohnt wurden und wie angesehen sie in ihrem damaligen Umfeld waren. Argumentiere, ob ein besonderes Ansehen und eine besondere Entlohnung in ihrem Fall berechtigt gewesen sein könnten.
  5. Recherchiere, wie und als welchen Metallen heute Münzen hergestellt werden. Nenne Unterschiede zur Münzprägung um 1520.

800 Jahre Bergbau im sächsischen und böhmischen Erzgebirge

Quelle: Zeitachse

Zeitachse 3M1: Zeitachse. Erstellt von Marcel Mahdal, Ostrava, 2016.

Sachanalyse

Der Bergbau war Jahrhunderte lang die wichtigste Erwerbsquelle auf beiden Seiten der böhmisch-sächsischen Grenzregion Erzgebirge. Die mehr als 800 Jahre Bergbau hatten Einfluss auf Land und Leute und ließen so eine einzigartige montane Kulturlandschaft entstehen. Innerhalb kürzerer Zeit entstanden im Erzgebirge dörfliche Siedlungen, Burgen, Klöster, Städte, Glashütten und Bergstädte. Die Siedler kamen vor allem aus dem heutigen Bayern, Franken und dem Egerland, von Norden aus dem heutigen Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie und von Nordosten aus der Lausitz und aus Oberschlesien. Die ersten Silberfunde führten zur Gründung der Bergstadt Freiberg im Jahr 1168. Die Nachricht vom Silberfund verbreitete sich rasch. Das sogenannte „Berggeschrey“ lockte in dieser Zeit Tausende Bergleute, Händler und Handwerker in die neue Montanregion. Die Orte Schneeberg, Annaberg, Marienberg und Gottesgab (tschechisch: Boží Dar) entwickelten sich zu wichtigen Zentren des Bergbaus. Außer Silber und Zinn wurden noch weitere Erze wie Arsen, Blei, Eisen, Kobalt, Nickel und Zink abgebaut, verhüttet und verarbeitet, ebenso wie die nicht erzhaltigen Bodenschätze Kalkspat (Calcit), Kaolin, Ton und Schwarzkohle. Im Jahre 1518 begannen die Grafen Schlik in Sankt Joachimsthal (Jáchymov) die international berühmte Silbermünze St. Joachimsthaler zu prägen. Von dieser bekannten T(h)aler-Münze wurde später auch der Name der amerikanischen Währung Dollar abgeleitet. Kaolin aus der Fundgrube St. Andreas in Aue wurde in der 1710 gegründeten Meißner Porzellanmanufaktur verarbeitet.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts ging der Bergbau stark zurück, da die wichtigsten Silberadern ausgebeutet waren. Die Bevölkerung der Region verarmte. Die Bergleute, die nun keine Beschäftigung mehr fanden, mussten sich neue Einkommensquellen suchen. So entstanden die für das Ergebirge typisch gewordenen Handwerkstraditionen. Im Bereich der Holzverarbeitung zählten dazu der Musikinstrumentenbau sowie die Herstellung von Spielsachen und Weihnachtsdekorationen. Die in der Region verbreitete Spitzentechnik Klöppeln wurde weiterentwickelt, ebenso wie die Produktion von Filzpantoffeln und Handschuhen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts begann die Industrialisierung des Erzgebirges. Es bildeten sich industrielle Zentren, und man begann mit dem Abbau von Braunkohle im großen Stil. In St. Joachimsthal förderte man zum ersten Mal weltweit Uranerze, die bei der Herstellung von Uranfarben für die Glasindustrie ihren Einsatz fanden. Im Jahr 1906 eröffnete dort das erste Radon-Kurbad der Welt.

Arbeitsaufträge

Mehr

Fragen, die sich nach einer Exkursion nach Jáchymov stellen

  1. An welche Aspekte der Vergangenheit wird in Jáchymov (St. Joachimsthal) heute erinnert und an welche davon deiner Meinung nach am stärksten?
  2. Wie wirkt Jáchymov heute? Stellt sich die Stadt ihrer Vergangenheit? Was ist dabei gelungen und was müsste noch verbesert werden? Begründe deine Antwort.
  3. Würdest du in Jáchymov leben wollen oder dich in einer anderen Form an der Entwicklung dieser Bergstadt beteiligen? Gibt es etwas, das die Stadt attraktiv macht? Begründe deine Antwort.
  4. Hast du mit einem heutigen Einwohner von Jáchymov gesprochen? Was hat er/sie für einen Bezug zur Stadt und ihrer Vergangenheit?
  5. Welchen deutschen Spuren bist du in Jáchymov begegnet? Inwieweit hatte und hat die Nachbarschaft zu Deutschland Einfluss auf die Stadt?
  6. Findest du es berechtigt von der Stadt Jáchymov insgesamt als Erinnerungsort zu sprechen? Begründe deine Antwort.
  7. Kennst du eine vergleichbare Gegend, einen ähnlichen (Erinnerungs-)Ort wie Jáchymov? Begründe deine Antwort.
  8. Beschreibe Unterschiede zwischen einem nationalsozialistischen Konzentrationslagern und den kommunistischen Straf- und Zwangsarbeitslagern in der ehemaligen Tschechoslowakei.

Das Erzgebirge auf dem Weg zum Welterbe

Quellen

[embedyt] http://www.youtube.com/watch?v=2GYgoP3Edw4[/embedyt]

M9-a: Video „Montane Kulturlandschaft Erzgebirge/Krušnohoří – Auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe“ (kurze Version), adhoc Film- & Fernsehproduktion GmbH, Dresden, Länge:  4:18 Min., veröffentlicht am 25.02.2015, Quelle: www.youtube.com/watch?v=2GYgoP3Edw4 (15.04.2016). Publikation mit freundlicher Genehigung des Inhabers der Bildrechte: Welterbe Montanregion Erzgebirge e.V., Annaberg-Buchholz.  Webseite:  www.montanregion-erzgebirge.de

https://www.youtube.com/watch?v=X3JgN0QyiGI

M9-b: Video „Montane Kulturlandschaft Erzgebirge/Krušnohoří – Auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe“ (lange Version), adhoc Film- & Fernsehproduktion GmbH, Dresden, Länge 8:39 Min., veröffentlicht am 29.04.2015,  Quelle: www.youtube.com/watch?v=X3JgN0QyiGI (15.04.2016). Publikation mit freundlicher Genehigung des Inhabers der Bildrechte: Welterbe Montanregion Erzgebirge e.V., Annaberg-Buchholz.  Webseite:  www.montanregion-erzgebirge.de

Sachanalyse

Der Bergbau war Jahrhunderte lang der wichtigste Antrieb für die Entwicklung des Erzgebirges auf beiden Seiten der sächsisch-böhmischen Grenze. Auch heute noch ist in vielen Bereichen des Alltags der Einfluss des Bergbaus in der Region erkennbar. Von diesem Einfluss zeugt nicht nur die große Zahl bedeutender erhaltener Baudenkmäler, aber auch die aktive Pflege von Kunsthandwerk, Bräuchen und Traditionen, die aus dem Bergbau hervorgegangen sind. Der angestrebte Eintrag der grenzübergreifenden montanen Kulturlandschaft Erzgebirge/Krušnohoří auf die UNESCO-Welterbe-Liste stellt eine einmalige Chance dar: Das Erzgebirge kann als lebendige, sich weiterentwickelnde Kulturlandschaft einzigartige Werte für die Zukunft erhalten und gleichzeitig schenkt die Weltöffentlichkeit der Region ihre Aufmerksamkeit und kann ihr neue Entwicklungsimpulse geben.

Arbeitsaufträge

  1. Nenne die wichtigsten Aspekte der montanen Kulturlandschaft Erzgebirge, die der Film zeigt.
  2. Stelle Vermutungen an, zu welchen Zwecken der Film gedreht wurde. Bedenke dabei auch die Autoren und ggf. die Auftraggeber des Films.
  3. Finde Argumente, warum man (Industrie- und Landschafts-)Denkmäler schützen sollte.
  4. Erläutere, welche Vorteile der Denkmalschutz und die Aufnahme in die Welterbe-Liste der Region Erzgebirge bringen können.

Die Bergkrankheit: „Strahlende Gefahr für den Menschen“

Quelle

„… Aus den Routineuntersuchungen der Bergleute aus den Urangruben ging bereits in den 1930er Jahren hervor, dass die Arbeit im Abbau und der Erstverarbeitung gesundheitsschädlich war, dass die Bergmänner von St. Joachimsthal [Jáchymov] ein Durchschnittsalter von 33 Jahren erreichten, dass sie während ihres Lebens an diversen Organ- und Funktionsstörungen oder Krankheiten litten und ihr Tod oft von einer Kombination aus Lungenkrebs und Staublunge (Silikose) verursacht wurde. Deshalb wurde die Gesamtheit er erwähnten spezifischen Erkrankungen dieser Bergleute [in der Tschechoslowakei] Joachimsthaler Bergkrankheit genannt, in Deutschland Schneeberger Krankheit.

Der Erforschung dieser Krankheit widmete sich eine Stiftung, die [der tschechoslowakische Staatspräsident] T.G. Masaryk mit einer persönlichen Stiftung i.H.v. 300 000 Tschechoslowakischen Kronen begründete. Dort untersuchten für die Tschechoslowakei das Problem der Joachimsthaler Bergkrankheit vor allem die Professoren der Prager Karlsuniversität František Běhounek, Heřman Šikl, Pelnář sowie der Chefarzt des Joachimsthaler Kurbades Dr. Markl. In Deutschland forschte am Max-Planck-Institut, damals noch Kaiser-Wilhelm-Institut, an der gleichen Problematik eine Wissenschaftlergruppe unter der Leitung von Prof. Rajewsky.

Die schon vor dem Zweiten Weltkrieg erfolgten Forschungen ergaben als eindeutige Ursache für die Joachimsthaler Bergkrankheit die hohe Strahlenbelastung der Bergleute durch die natürliche Radioaktivität des Urans und seiner Zerfallsprodukte (Radon, Uran-Aerosole) und durch die von Natur aus radioaktiven Materialien vor Ort. Erst im Jahr 1939 führte Dr. A. Brandt vom Institut für Arbeitshygiene an der Berliner Universität die erste umfassende Untersuchung des Gesundheitszustandes der Joachimsthaler Bergleute durch. Er brachte dabei seine Erfahrungen von der Untersuchung deutscher Bergleute aus den Urangruben im Umfeld von Aue und Schneeberg ein. Bei den Joachimsthaler Bergmännern beschrieb Brandt eine Veränderung in der Blutbildung schon nach zweijähriger Strahlenaussetzung. Außerdem stellte er fest, dass die Mehrheit von ihnen an einer Staublunge litt und dass erste bösartige Tumore in den Atemwegen meist erst nach mindestens zehn Jahren andauernder Strahlenbelastung auftraten (…).“

M8: RNDr. Hubert Procházka, CSc., [Vorstandsmitglied der Konföderation politischer Häftlinge der Tschechischen Republik], Rozbor pracovních rizik při otrocké práci vězňů v Jáchymovských dolech v letech 1949-1960 [Analyse der Arbeitsrisiken bei der Zwangsarbeit der Häftlinge in den Gruben von Jáchymov in den Jahren 1949-1960], 19.01.2006, Quelle: [Internetseiten der Konföderation politischer Häftlinge der Tschechischen Republik] http://www.kpv-cr.cz/uranove-doly-zdnesniho-pohledu/ (25.09.2015).

Sachanalyse

Radioaktivität hat ihren Ursprung in den von Natur aus strahlenden Elementen Uran, Radium und Thorium. Mediziner fürchten in diesem Zusammenhang das radioaktive Gas Radon (Rn), das durch die Umwandlung von Radium entsteht. Radon ist farb- und geruchslos und ist schwerer als Luft. Bei seiner Umwandlung gibt es radioaktive Strahlung in Form von Alpha-Teilchen ab. Alpha-Strahlung hat zwar eine geringe Durchlässigkeit, ihre Hauptgefahr liegt aber darin, dass Menschen sie wie Radon in der Luft einatmen. Bei langfristiger Einwirkung schadet das Gas dem menschlichen Organismus. Eine sehr intensive Alpha-Strahlen-Aussetzung kann zum sofortigen Tod führen. Eine weitere Gefahr stellt Gama-Strahlung dar, die mit der Röntgen-Strahlung vergleichbar ist. Der Strahlung ausgesetzten Personen droht eine erhöhte Anfälligkeit für Leukämie und die Bildung bösartiger Tumore, die erst nach Jahrzehnten auftreten kann. Ein stark gesundheitsgefährdender Faktor für Menschen in Betrieben, die Uran fördern oder verarbeiten, sind zudem Aerosole – kleinste Uranstaubteilchen mit einer Größe von unter 10 Mikrometern in der Luft.

Bergleute hatten kein einfaches Leben. Bergunglücke konnten für sie tödlich enden oder sie zu Invaliden machen. Seit dem Mittelalter wusste man, dass ihre Lebenserwartung deutlich kürzer ausfällt als die der Menschen in ihrem Umfeld und dass sie an einer typischen Bergkrankheit leiden. Jedoch erst seit dem 20. Jahrhundert wandten sich die Mediziner den Arbeitsrisiken beim Untertagebau zu. Der folgende Text von RNDr. [Doktor der Naturwissenschaften, Anm. der Übersetzerin] Hubert Procházka, Vorstandsmitglied der Konföderation politischer Häftlinge der Tschechischen Republik, beschreibt auf den Internetseiten dieser Vereinigung die Gesundheitsgefährdung der zwangsarbeitenden Häftlinge in den Urangruben von Jáchymov (St. Joachimsthal) in den Jahren 1949-1960. Das tschechoslowakische kommunistische Regime, das seine politischen Gegner verfolgte und viele von ihnen zwang, Uran abzubauen und zu verarbeiten, nahm die gesundheitlichen Risiken für die politischen Häftlinge in Kauf. Zahlreiche Häftlinge starben unter den unmenschlichen Bedingungen, andere trugen lebenslange gesundheitliche Folgen davon. Auch deswegen nannten sie die Zwangsarbeit oft „die Hölle von Jáchymov“. Nach dem Ende des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei im Jahr 1990 wurde die Konföderation politischer Häftlinge der Tschechischen Republik gegründet. Sie vertritt die Anliegen der ehemaligen politischen Häftlinge, auch derer die im Uranbergbau eingesetzt waren, in der Öffentlichkeit.

Arbeitsaufträge

  1. Fasse zusammen, welche Erkrankungen die Arbeit im Uranbergbau in vielen Fällen verursachte.
  2. Erstelle eine Tabelle, in die du für die Tschechoslowakische Republik und das Deutsche Reich einträgst, wie die Bergkrankheit in den beiden Staaten genannt wurde, welche Institutionen sich der Erforschung der Krankheit jeweils widmeten und in welchen Zeitraum die Forschungen stattfanden.
  3. In den Jahren 1949-1960 inhaftierte das tschechoslowakische kommunistische Regime viele seiner politischen Gegner und zwang sie zur Arbeit in den Urangruben von Jáchymov. Auf Arbeitssicherheit und Gesundheit der Häftlinge legte das Regime nur wenig Wert. Finde Argumente, warum das das kommunistische Regime seinen politischen Gegnen die in der Quelle genannten Arbeitsrisiken im Uranbergbau zumutete.
  4. Auf der sächsischen Seite des Erzgebirges waren in den Uranbergwerken der DDR im selben Zeitraum überwiegend zivile Bergleute tätig. Überdurchschittliche Löhne sowie eine gute Versorgung mit Lebens- und Genussmitteln machten den Uranbergbau dort attraktiv. Diskutiere, ob diese Vorteile die in der Quelle geschilderten Gesundheitsrisiken ausgleichen konnten.
  5. Erläutere, zu welchem Zweck der Text, der den Internetseiten der Konföderation politischer Häftlinge der Tschechischen Republik entnommen ist, verfasst sein könnte. Bedenke dabei den Autoren des Textes.

Erholung dort wo einst Häftlinge litten?

Grube und Lager Rovnost
Quellen

http://youtu.be/aME-_0qHypk

M1: 3-D-Animation des Uranbergwerkes sowie des Lagers Rovnost (Gleichheit), Zustand in der ersten Hälfte der 1950er Jahre, Autoren: Verein Političtí vězni.cz, Studierende der Angewandten Geoinformatik und Kartografie der Karlsuniversität Prag, 2015. Länge des Videos: 4:56 Min., Empfohlener Ausschnitt: 2:11 bis 4:56 Min. Wir entschuldigen uns, dass das Video derzeit nicht zugänglich ist.

 Zugängliches Ferienhausgebiet an der Stelle der ehemaligen Grube (und nicht des Lagers) Rovnost (Gleichheit) mit Grillplatz, auf ursprügliche Grubenausstattung umgenutzt wird. Sommer 2014, Foto: Tomáš BouškaM2: Frei zugängliches Ferienhausgebiet auf dem Gelände des ehemaligen Bergwerks (nicht des Lagers) Rovnost (Gleichheit) mit Grillplatz, auf dem ursprüngliche Grubenausstattung umgenutzt wird. Sommer 2014, Foto: Tomáš Bouška.

Schranke PrivatM3: Den Zutritt zur Ferienhaussiedlung auf dem Gelände des ehemaligen Lagers Rovnost (Gleichheit) versperrt eine Schranke mit der Aufschrift „Privat“. Sommer 2014, Foto: Tomáš Bouška.

Das verfallene Umkleidegebäude für die Bergleute am ehemaligen Straflager Rovnost (Gleichheit), daneben ist ein Ferienhaus errichtet worden. Aufnahmezeitpunkt ?, Foto: Tomáš BouškaM4: Das verfallene Umkleidegebäude für die Bergleute des ehemaligen Straflagers Rovnost (Gleichheit), daneben ein Ferienhaus. Aufnahmezeitpunkt ?, Foto: Tomáš Bouška.

 Palecek-Burg und LogoM5: Links: Logo des erneuerten Lehrpfades „Die Hölle von Jáchymov“, Gestaltung: Gestaltung: Ondřej Kafka, Kafka Design, Prag, 2014, für den Verein Političtí vězni.cz. Rechts: Sogenannte Paleček-Burg im ehemaligen Bergwerk Rovnost (Gleichheit), Sommer 2014, Foto: Tomáš Bouška.

Sachanalyse

Auf dem Areal des ehemaligen Schachtes Rovnost (Gleichheit, bis 1945 Werner-Schacht) und des dazugehörigen Lagers, das zu den größten in der Gegend von Jáchymov (St. Joachimsthal) gehörte, liegt heute eine Feriensiedlung mit einigen Dutzend Ferienhäusern, die nur teilweise für die Öffentlichkeit zugänglich ist.

Im Werner-Schacht mussten bereits zwischen 1939 und 1945 Kriegsgefangene aus Osteuropa Uran für das nationalsozialistische Deutsche Reich abbauen. Das bestehende Barackenlager wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs weitergenutzt für zivile Gefangene und Kriegsgefangene deutscher Nationalität, die gezwungen waren, für die damalige tschechisch-sowjetische Verwaltung der Urangruben im Schacht Rovnost Uran für den Atomwaffenbau der Sowjetunion zu fördern. Im Jahr 1949 wurden schließlich die ersten politischen Häftlinge des tschechoslowakischen kommunistischen Regimes ins Lager gebracht. Die Lebensbedingungen dort waren sehr hart und bei der Arbeit untertage kam es zu schweren Unfällen.

Über dem ehemaligen Lagertor stand in den 1950er Jahren die Aufschrift „Prací ke svobodě“, das tschechische Äquivalent von „Arbeit macht frei“. Heute befindet sich an dieser Stelle eine Schranke mit der Aufschrift „Privat“, die Unbefugten den Zutritt zu dem Teil der Ferienhaussiedlung, die sich auf dem ehemaligen Lagergebiet befindet, versperrt. Da sich das Gelände seit den 1950ern stark verändert hat, kann man Größe und Aussehen des ehemaligen Lager und Bergwerks heute kaum mehr erkennen. Deshalb erstellte der von ehrenamtlichen Forschern gegründete Verein Političtí vězni.cz (Politische Häftlinge.cz) mithilfe Studierender der Angewandten Geoinformatik und Kartografie der Karlsuniversität in Prag eine 3-D-Animation, die das Areal zum Zeitpunkt der ersten Hälfte der 1950er Jahre darstellt.

Zu sehen ist im 3-D-Modell auch die sogenannte Paleček-Burg. Das ist ein gemauertes Modell einer mittelalterlichen Burg, die die Insassen des Lagers Rovnost  zur Unterhaltung ihres sadistischen Lagerkommandanten František Paleček bauen mussten. Nach Aussagen politischer Häftlinge erschoss dieser Kommandant mindestens vier Häftlinge bei Fluchtversuchen. Mit Freude habe er außerdem die im Lager inhaftierten Zeugen Jehovas durch stundenlange Appelle bei Eis und Schnee gequält, da sie weigerten für kriegerische Zwecke Uran abzubauen. Das Burgmodell befindet sich in der Nähe der Lehrpfadstation „Schacht und Lager Rovnost“ im heute frei zugänglichen Teil der Ferienhaussiedlung auf dem ehemaligen Bergwerksgelände. Die Paleček-Burg wurde zum Logo des erneuerten Lehrpfades. Das Umkleidegebäude, in denen die Häftlinge an Ketten hochgezogen ihre Arbeitskleidung aufbewahrten und sich umzogen, wurde erst 1956 fertiggestellt. In der 3D-Animation ist es daher nicht zu sehen. Das Umkleidegebäude steht heute ungenutzt und in verfallenem Zustand neben einem neu errichteten Ferienhaus.

 

Arbeitsaufträge

Mehr

Politisch verfolgte Pfadfinder – Mahnmal Eliáš

Quellen

Textquelle Pfadfinder DE Informationstext, der Anfang des Jahres 2016 an Anschlagtafel nahe des Mahnmals Eliáš (Elias) angebracht war. Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verfassers Tomáš Barth.

 P1160184Ein neues Holzkreuz für das Mahnmal Eliáš (Elias) wird errichtet, September 2013. Foto: Tomáš Barth.

detailDetail des Mahnmals Eliáš (Elias) mit Gedenkplakette, September 2013. Übersetzung des Textes auf der Plakette: „Zur Erinnerung an die inhaftieren, gepeinigten und hingerichteten Pfadfinder in den Jahren 1948–1968“. Foto: Tomáš Barth.

Znak_Eliáš-20letLogo „20 Jahre Mahnmal Eliáš (Elias). Bekämpfe das Böse!“ Publikation mit freundlicher Genehmigung des Inhabers der Bildrechte Tomáš Barth. 

2015_09a__Elias AnschlagtafelAnschlagtafel der Pfadfinder nahe des Mahnmals Eliáš (Elias) in Jáchymov, 2015. Foto: Tomáš Barth.

Sachanalyse

Die 1907 in England entstandene Pfadfinderbewegung verbreitete sich in der Tschechoslowakei unter dem Namen Junák (dt.: Knabe, Recke, Held). Lilie und Kleeblatt stellen die Symbole der Pfandfinder dar. Allgemeines Ziel der internationalen, religiös und politisch unabhängigen Pfadfinderbewegung ist, die Entwicklung junger Menschen zu fördern, damit diese in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen können. Nach der Machtübernahme der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei 1948 verbot diese Junák schrittweise, um Jugendarbeit nur noch in staatlich organisierten Gruppen stattfinden zu lassen. Die Kommunisten sahen die Pfadfinderbewegung als „pro-westlich“ und „imperialistisch“ an, als eine Gefahr für ihr Regime. Zahlreiche Pfadfinder widersetzten sich dem Verbot von Junák und hielten weiter illegale Treffen ab. Einige erwachsene Anhänger der Pfadfinderbewegung, die in politischen Prozessen zu vielen Jahren Haft verurteilt worden waren, mussten Zwangsarbeit in den Uranbergwerken von Jáchymov leisten. Im Zuge einer Lockerung des Regimes (der sog. Prager Frühling) wurde die Pfadfinderbewegung in der Tschechoslowakei von 1968 bis 1970 kurzzeitig erlaubt. Seit 1992 erinnert in Jáchymov ein letztmals 2013 erneuertes großes Holzkreuz an die Pfadfinder in den Uranbergwerken und Lagern.

Nahe dem Gedenkkreuz der Pfadfinder steht eine Anschlagtafel mit Informationen und Zeitungsartikeln zum Mahnmal und zur Pfadfinderbewegung in der Tschechoslowakei zur Zeit des Kommunistischen Regimes. Folgender Zettel befand sich Anfang des Jahres 2016 auf der Tafel. Er wurde vom Leiter des Pfadfinderzentrums Arnika in Jáchymov Tomáš Barth verfasst. Auf unserer Webseite wird er mit seiner freundlichen Genehmigung in gekürzter Form und auf Deutsch übersetzt veröffentlicht.

Arbeitsaufträge

  1. Finde heraus, wer das Kreuz für wen errichtet hat.
  2. Begründe, warum dieser spezielle Ort für das Kreuz gewählt wurde.
  3. Erläutere die Jahreszahlen 1948-1968, die einen wichtigen Zeitabschnitt der tschechoslowakischen Geschichte markieren, in Zusammenhang mit dem Text auf der Plakette des Mahnmals.
  4. Finde Gründe dafür, dass das kommunistische Regime der Tschechoslowakei die Pfadfinderbewegung für eine Gefahr hielt. Überlege, welche weiteren Jugendgruppen und -verbände die Kommunisten damals wohl aus ähnlichen Gründen verboten haben könnten.
  5. Benenne und erkläre die Symbole auf dem Logo des Mahnmals Eliáš (Elias), erkläre auch das Motto „Bekämpfe das Böse!“.
  6. Argumentiere, warum das Mahnmal der Pfadfinder auch Nicht-Pfadfinder betrifft.

Der „Russische Autobus“ – ein erniedrigender Weg zur Arbeit

Quelle

„Russischer Autobus, so nannte man eine Formation menschlicher Körper. Hunderte Häftlinge traten im Lager in Fünferreihen an und der Aufseher band diese ‚Formationen‘ fest mit einem Hanfseil zusammen. Das spätere Stahlseil wurde mit einem Vorhängeschloss verschlossen, dessen Schlüssel der Eskortentführer hatte. Dieser erinnerte jedes Mal daran, dass im Falle einer Flucht ohne Vorwarnung geschossen werde. Diese Masse aus 250–300 Körpern musste sich dann in Bewegung setzen, und alle im Gleichschritt. Bei jedem Wetter mussten sie durch die zivile Zone hindurch bis zu ihrem Arbeitsplatz, der etwa 950 m entfernt lag, der Schacht Eduard. Ich habe ausgerechnet, dass sich auf diese Art und Weise über 1 140 km gelaufen bin.“

Zdeněk Mandrholec (*1930), ehemaliger politischer Häftling in Jáchymov (St. Joachimsthal), verurteilt zur Zwangsarbeit u.a. im Lager Nikolaj. Quelle: Zeitzeugenbericht für eine Informationstafel des erneuerten Lehrpfads „Die Hölle von Jáchymov“ des Vereins Političtí vězni.cz (Politische Häftlinge.cz), 24. Mai 2015.

Sachanalyse

Das während des Kalten Krieges im Jahr 1950 in Jáchymov (St. Joachimsthal) errichtete Lager Nikolaj lag nicht in unmittelbarer Nachbarschaft einer Urangrube. Die dort inhaftierten politischen und kriminellen Häftlinge des tschechoslowakischen kommunistischen Regimes mussten einen Kilometer zu Fuß zum nächstgelegenen Schacht Eduard zurücklegen, wo sie gezwungen wurden Uran für die sowjetische Atomwaffenindustrie abzubauen. Da ihr Weg zum Uranschacht über eine Straße für den Uranerztransport sowie über Gelände führte, auf dem sich zivile Mitarbeiter der Uranbergwerke von Jáchymov bewegten, wurden die Häftlinge von den Aufsehern aneinandergefesselt und strengstens bewacht. Aufgrund der einfach aber zweckmäßig gestalteten Fesselung der Häftlinge mit einem Hanf- oder Stahlseil, nannte man diese Art des Häftlingstransports spöttisch „Russischer Autobus“, da vermeintlich die Ausstattung und der Zustand der Busse (und sonstiger Technik) in Russland auf einem ähnlich niedrigen Niveau waren. Im Lager Nikolaj waren neben dem schweren Arbeitsweg auch die Lebensbedingungen der Häftlinge sehr hart, deshalb war es unter den Lagern in Jáchymov und Umgebung besonders gefürchtet. Bei ihrer Entlassung nach oftmals vielen Jahren Haft mussten die Häftlinge unterscheiben, zurück in der Freiheit niemandem von ihren Erlebnissen in den Lagern und in der Urangewinnung zu erzählen.

Arbeitsaufträge
  1. Erläutere, was der Begriff „Russischer Autobus“ bezeichnet?
  2. Stelle Vermutungen an, wer diesen Begriff geprägt haben könnte?
  3. Wenn die Gefangenen auf diese Art durch den zivilen Bereich von Jáchymov gelaufen sind, was könnte die Zivilbevölkerung des Ortes davon gehalten haben?
  4. Versetze dich in die Rolle eines ehemaligen Häftlings, der aus dem Lager Nikolaj entlassen wurde und dabei unterschreiben musste, niemandem von seinen Erlebnissen im Uranabbau und im Lager zu erzählen. Denke Dir eine Situation aus, in der er dennoch mit jemandem ihm Vertrauten über den „Russischen Autobus“ sprach.